Diesen Monat
ist das Misk’y Wasi bis 28. Januar weiterhin für die Mädchen geschlossen. Somit
hatte ich Zeit während diesen Wochen das Kinderheim zu renovieren in den Urlaub zu fahren, auf dem
weltwärts-Seminar meine Arbeit zu reflektieren und die Einführungswoche der
Mädels Ende Januar vorzubereiten.
1) Azurduy über Silvester mit Familie
Aparicio López.
Azurduy ist ein Dorf in der gleichnamigen Provinz des Departaments
Chuquisaca in Bolivien. Es liegt umgeben von wunderschöner Natur circa 10
Stunden Busfahrt von Sucre entfernt.
Jaqui und ich wurden über Neujahr eingeladen gemeinsam mit der befreundeten
Familie Aparicio López (den Veranstaltern des Folklore-Ballets und –Festivals
Húascar y Gustavo Aparicio) in ihren Heimatort zu fahren. Wir sagten begeistert
zu, bereits neugierig mehr über das Leben und die Menschen aus diesem Ort zu
erfahren. Azurduy ist nicht besonders touristisch, aber sehr authentisch. Wir
lebten knapp eine Woche zu sechszehnt im Haus der Großeltern. Das Lebensgefühl
innerhalb der Familie, die Geborgenheit, Gelassenheit und Freude, die wir zu
spüren bekamen sind unvergesslich. Wir lachten und scherzten so viel, sangen,
tanzten, gingen spazieren, lernten über die Geschichten und Mythen Azurduys und
genossen die Zeit zusammen. In dem Dorf waren tatsächlich alle miteinander
bekannt und die meisten auch verwandt in irgendeinem engen oder fernen Grade.
Ich habe noch nie so viele Onkels, Tanten und Cousinen einer Familie
kennengelernt und war begeistert! Meine Eltern nannten mich schon als kleines
Kind „Haufenkind“, da ich selber eine große Familie habe und immer glücklich
bin, wenn ich viele liebe Leute, um mich herum habe. Dieser Urlaub war wirklich
etwas für die Seele.

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Unglaublich viel Spaß zusammen und atemberaubende Natur herum.:) |
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GRÜN überall.:) den ganzen Tag draußen sein und frische Luft atmen! |
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und natürlich auch herumalbern.:) |
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An einem Tag wurde gegrillt... aber nicht so wie ich das aus Deutschland kannte. Charo, die Mutter bereitete das saftigste Fleisch vor, was ich jemals in meinem Leben gegessen hatte. Wenn ich in Deutschland aus dem Supermarkt Fleisch kaufte, kam immer Wasser heraus, womit es aufgespritzt worden war. Hier hingegen kam das Fleisch frisch vom Bauern und war noch unbehandelt- ein Geschmackserlebnis. Dazu gab es Käse-Milchreis- ein weiteres Geschmackswunder. :) |
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Der Haufen- el montón:)) |
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beeindruckende Weiten |
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Mariela und Jaqui <3 |
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Herumwitzeln mit der Familie: Onkel Edi spielt Schamane und will Mariela, die gute Seele „reinigen" |
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Ein Museum über Azurduy, Geschichte, Fossilien etc. |
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Ein atemberaubender Wasserfall... |
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...und auch sagenumwoben; hier sieht man die Maske, über die es sogar eine eigene Legende gibt. |
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Überhalb des Wasserfalls, vor der Schlucht |
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Damit wir der Familie eine deutsche Silvester-Tradition nahe bringen konnten, planten Jaqui und ich Berliner zu machen. Die Töchter der Familie Mariela und Julia halfen tatkräftig mit. Um zwölf, beim Anstoßen wurden die Berliner dann gegessen. Es stellte sich heraus, dass Julia und Onkel Chapaco dieses Jahr besonder viel Glück haben werden, da sie die zwei Berliner mit Senf erwischt hatten. |
2) Cuevo- el Chaco Oriental mit unserer
Gastmutter Martha
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Die Häuser und Straßen des kleinen Dorfes |
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ein anderes Lebensgefühl.:) |
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Die Tage, die wir dort waren, war es heiß und wir entschieden uns baden zu gehen. Das Wasser sieht durch das braun schmutzig aus, aber eigentlich war durch die starken Regenfälle lediglich aufgewühlt. |
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Das Wasser hatte die perfekte Temperatur und das halbe Dorf traf sich dort, um zu baden. Als wir aufgrund der starken Regenfälle drei Tage nacheinander kein Wasser hatten, um zu kochen, auf Toilette zu gehen oder zu duschen, war der Bach die Rettung. Mit dem Wasser konnten wir spülen und kochen. Und mit Naturseife uns wenigstens vom gröbsten Schweiß und Dreck befreien. Ein Erlebnis! :) | | |
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Einen anderen Tag fuhren wir aufs Land, um dort bei einem befreundeten Bauern frische Kuhmlich trinken zu gehen. Es gibt nichts Leckeres das. |
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Ein Traum geht in Erfüllung- selber melken.:) |
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Eine Kuh reichte locker für eine Familie. Ich brauche unbedingt eine später! Eine Faszination...:) |
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Die Schweine haben es mir ebenfalls angetan. Auf dem Hof wurden sie natürlich zum Zwecke des Verzehrs gehalten, ich wünsche mir ein Hausschweinchen.:) |
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Chiquillin, der Besitzer des
Hofes verarbeitet die Milch zu Butter und Käse. Darüber hinaus könnte
man Buttermilch und Joghurt daraus gewinnen. |
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ImInnenhof von Marthas Haus hat sie allerlei Pflanzen und Bäume. Feige,Papaya, Chirimoya, Avocado, Limette, Granatapfel, Weintrauben...wie im Paradies. Morgens vorm Frühstück in den Patio und selber pflücken, ein Traum. Hier ein Chili-Baum. |
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Mittagessen bei dem Bauern Chiquillin: Für uns war eine Ziege geschlachtet worden und wir aßen typisch "chaqueño".
Die Frische der Lebensmittel gab einen unvergesslichen Geschmack. Wir verbrachten den ganzen Tag bei Chiquillin und seiner Frau, er ließ uns auf seinem Pferd reiten, zeigte uns wie man Käse macht und philosphierte mit uns über Gott und die Welt. Es war ein unglaublich schöner Tag, voller Freude und Gelassenheit. |
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Nach wenigen Tagen rief Marthas Sohn Roberto an, er würde gemeinsam mit seiner Ehefrau nach Cuevo kommen. So verbrachten wir zu fünft wunderbare Tage zusammen. |
So intensiv ging es dann nach zwei kurzen Tagen Zwischenstopp in Sucre
weiter. Gemeinsam mit unserer Gastmutter fuhren Jaqui und ich in ihr fast 20
Stunden entferntes Heimatdorf Cuevo im Teil des Chaco Oriental im Departamento
Santa Cruz, Grenze Departamento Chuquisaca. Die Zeit zwischen den Reisen und
die Reise an sich waren ziemlich anstrengend, aber in dem Dorf gemeinsam mit
Martha konnten wir uns gut erholen. Wir hörten Geschichten aus ihrer Kindheit
und Jugend, lernten ihre Freunde und Bekannte von hier kennen und besuchten
außerdem die Orte, die viele Erinnerungen für sie auf erleben lassen.Tage des Erlebens und Erfahrens.
3) Weltwärts-Zwischenseminar, 7
Cascadas, Sucre
Zur Reflektion der vergangenen Monate und zur Planung und Verbesserung
der kommenden, gibt es vom Programm weltwärts ein vorgeschriebenes
Zwischenseminar. Dafür kamen alle insgesamt fünfzig BKHW-Freiwilligen aus ganz
Bolivien nach Sucre. Die Gruppe war aufgeteilt in zwei verschiedene Seminare,
damit die Teilnehmerzahl nicht so groß war. An einem Tag trafen wir uns jedoch
alle, um gemeinsam einen sozialen Dienst zu verrichten. Wir hatten die
Renovierung des Projekts Wiñay im Barrio Canadá ausgewählt, strichen dort die
Wände neu und reparierten die umliegenden Spielplätze. Während des Seminars
sprachen wir dann über viele verschiedene Dinge. Zunächst stellten wir unser
Bild von Bolivien dar, wobei mir auffiel, dass ich ein doch sehr anderes
Bolivien hatte als viele der anderen. Das hat mich sehr zum Nachdenken
gebracht. Im Vergleich zu den anderen, die in größeren, trubeligeren Städten
leben, lebe ich in Sucre, einer Stadt, die sehr gemütlich und gelassen ist.
Darüber hinaus lebe ich sehr privilegiert im gepflegten Zentrum der Stadt in
einem schönen Haus, super zentral gelegen. Meine Freizeit unterscheidet sich
nicht viel von der meinen in Deutschland (nur, dass sie hier knapper bemessen
ist- eigene Schuld). Ich gehe sogar häufiger ins Spa, um mir mit meinen
Freundinnen die eine Mani-Pedi oder ähnliche Behandlungen machen zu lassen, ich
esse hier häufiger außerhalb als in Deutschland. Und das alles in Bolivien,
einem Land, das man sich häufig allein mit Armut vorstellt. Meine Arbeit hat
viel mit Armut zu tun; aber mein Bolivien ist durch meine Freunde und meine
Freizeit anders geprägt. Auf dem Seminar fiel besonders auf, dass Bolivien ein
unglaublich vielfältiges Land ist, geografisch, soziologisch, politisch und
kulturell gesehen. Ich bin begeistert, von meiner Version Boliviens und möchte
jeden dazu animieren sich die Zeit zu nehmen und es selber kennenzulernen.
Neben der Reflektion ging es auch um Problembehandlung. Häufig gibt es
Schwierigkeiten zwischen Freiwilligen und Projekt. Ich habe viel Desillusion
verspüren können, aber habe Hoffnung, dass es nun nach dem Seminar in manchen
Fällen besser werden könnte. Es war wirklich gut sich austauschen zu können,
denn generell waren es ähnliche Problematiken, mit denen die Mehrheit
konfrontiert war:
1) Fehlendes Geld:
-zum einen leiden
wirklich viele Projekte unter der Eurokrise, da sie zuvor stark von
europäischen Ländern unterstützt wurden, welche nun die Spenden gekürzt oder
gestrichen haben. (Hier bestätigt sich für mich, dass der
Entwicklungshilfe-Ansatz man könne Menschen aus der Armut „raus spenden“ ein
Mythos ist.)
-zum anderen sehe ich
aber mit eigenen Augen in meinem Projekt, dass das Geld auch häufig schlecht
verwaltet wird
2) Fehlende Zeit:Viele Freiwillige
beschweren sich darüber, es sei schwierig, eigene Aktivitäten mit den Kindern
zu realisieren, da es keinen Platz dafür gäbe.
-Ich erinnere mich sehr
gut daran, wie es mir ebenso erging und ich aufgrund meiner Chefin Vanesa und
der damaligen slowenischen Freiwilligen Ana erst die Möglichkeiten aufgezeigt
bekommen habe. Häufig denken wir zu sehr in der Box und machen uns nicht frei
von unseren festen Arbeitszeiten, dem Idealismus alles Kinder zu begeistern
etc.
-gleichzeitig ist zu
beobachten, dass in vielen Projekten die Kinder beschäftigt werden sollen und
bloß keine Zeit für Selbstbeschäftigung, Eigeninteressen oder Muße gelassen
werden. Daraus resultiert dann, dass die Kinder weniger leben sondern lediglich
vor sich hin vegetieren. Natürlich ist dies eine Herausforderung für unser
Effizienz-geschultes Denken und deshalb ist es wichtig dabei einen Kompromiss
zu finden. In meinem Projekt haben wir nun beispielsweise die Routine verändert
und die morgendliche Zeit zum Fertigmachen verkürzt, damit die Kinder mehr Zeit
für Schlaf oder private Dinge haben. Ich habe es einfach angesprochen und
meiner Chefin gefiel der Vorschlag. Manchmal muss man einfach nur etwas freundlich vorschlagen…
3) Disziplin: Die letzte Herausforderung ist von
Stereotypen her betrachtet etwas ironisch. Viele Deutsche beschwerten sich über
zu viel Disziplin und fehlende Geborgenheit gegenüber den Kindern in den
Projekten, obwohl ich auf meinen Reisen im Ausland häufig dem Vorurteil der
„kalten Deutschen“ begegnet bin. Genau aus diesem Grund erscheint mir unsere
Arbeit hier wichtig: interkulturelle Kommunikation und Austausch.
4) Misk’y Wasi
Bereits im Dezember hatten meine Chefin Vanesa und ich angefangen zu
renovieren, aufzuräumen, auszusortieren, zu basteln und uns neue Strategien,
sowie Regeln für ein besseres Zusammenleben im Kinderheim zu überlegen. Dabei
halfen manchmal meine Gastschwester Jaqui und Vanesas Freundin Evelyn. Evelyn
ist ebenfalls wie Vanesa ausgebildete Psychologin und half manchmal bei der
Arbeit mit den Kindern. Sie wäre sehr notwendig, sowie nützlich als weitere
Erzieherin im Misk’y Wasi. Ich würde mir wünschen, dass die Fundación Amazonia
ihr die Stelle bezahlte. Unterstützung wurde uns bereits lange zugesprochen,
aber bislang nicht gesendet.
Hier nun ein paar Eindrücke von den Verwandlungen.
Beim Streichen des Büros half uns der ehemalige Mann-für-alles der
Fundación, Don Pedro. Im Dezember legte er seine Arbeit für die Fundación
nieder und begann für eine andere Institution zu arbeiten. Die Gründe: zu viel
Arbeit, zu wenig Geld und verspätete Bezahlung, keine Sicherheit durch einen
fehlenden Arbeitsvertrag usw.
Im Dezember, vor Weihnachten war er noch nicht bezahlt worden und konnte
von seiner neuen Arbeitsstelle auch keine Bezahlung bis Anfang des neuen Jahres
erwarten. Die Direktorin der Fundación Amazonia Bolivia war nicht zu erreichen,
da sie auf Geschäftsreise in Tokyo war. Das hieß für Don Pedro: kein Geld in
Sicht bis zum neuen Jahr. Da Vanesa und ich zu zweit und nicht einmal mit der
Hilfe von Eve und Jaqui alles was wir uns vorgenommen hatten zu schaffen
schienen, baten wir Don Pedro um Hilfe. Durch die großzügigen Spenden aus
Deutschland hatten wir die Möglichkeit Farbe zu kaufen und Don Pedro ein
Entgelt zukommen zu lassen von dem er die Weihnachtstage überbrücken konnte.
Von den weiteren Spenden kauften wir Lampen für das Studierzimmer, einen großen
Mülleimer für die Küche, weitere kleine für die Badezimmer. Wir verkauften den
alten Ofen und kauften einen neuen. Dadurch blieb noch genug Geld übrig, um
einen Computertisch zur Ordnung des Büros zu kaufen und zwei Chefsessel. Einen
für Vanesa und den anderen für ihre „Patienten“, da sie dieses Jahr mit den
Mädels einzeln Psychotherapie anfangen möchte. Und damit der Therapieort (das
Büro) auch ein angenehmer Ort ist, waren diese Anschaffungen notwendig. Bezüglich
der benötigten Therme und der Duschköpfe muss ich noch mit der Leiterin der
Fundación Amazonia Bolivia sprechen. Wie bereits im letzten Blogeintrag
angesprochen, ist es sehr widersprüchlich als Freiwillige Geld in Form von
Spenden oder aus eigener Tasche zu mobilisieren. Schließlich bringe ich schon
meinen Arbeitswillen, meine Zeit und meine ganze Kraft im Rahmen meiner Arbeit
an. Darüber hinaus ist der viel wichtigere Grund, dass die Projekte auch ohne
finanzielle Unterstützung der Freiwilligen überleben und sich autonom über
Wasser halten können. Trotzdem habe ich mit diesen einmaligen Anschaffungen
aufgrund Ihrer und Eurer großzügigen Spenden viel bewegt. Fotos sind im
nächsten Blogeintrag zu sehen, da wir momentan noch etwas am Renovieren sind.
Außerdem ist es auch immer schöner die Mädels mit auf den Bildern zu haben, und
die kommen erst in der letzten Januar-Woche wieder.
Vielen Dank fürs Lesen und bis bald also!
Liebe Grüße,
Matthia