Arbeit im Misk’y Wasi:
Die Machtaufteilung in der Stiftung Amazonia hat sich
verändert. Neben der Präsidentin, die immer das letzte Wort hat(te), gibt es
nun eine neue Administratorin, die Projekte initiiert und Ansprechpartnerin für
Verschiedenstes ist. Der Fundación Amazonia steht lediglich genügend Geld bis
Ende Mai zur Verfügung. Deshalb müssen sich die Strukturen nun verändern, damit
mehr Geld über längeren Zeitraum generiert werden kann. Ende Januar planten wir
in stundenlangen Personalversammlungen der beiden Kinderheime über vier Tage
die Jahresziele und Strategien. Ich bin gespannt, ob das umgesetzt werden kann.
Ich persönlich kann mich momentan immer noch sehr gut einbringen, möchte mich
aber mit weiteren Beobachtungen zunächst zurückhalten und abwarten, wie es sich
entwickelt.
Ende Januar begannen wir mit den Einschreibungen der Kinder
in die zwei Kinderheime (Hogar Mallorca-Jungs- und Hogar Misk’y Wasi-Mädchen-).
Insgesamt war viel Andrang, denn die Nachfrage der Kinderheime war groß. Bei
der Organisation und Datenaufnahme, zeigten sich direkt viele grundlegende
Probleme:
1)
Viele der Kinder kommen von weit her, aus
Familien vom Land. Sie treten eine regelrechte Reise an, um in die Stadt zu
kommen und ihre Kinder einschreiben zu lassen. Die Dokumente waren häufig
unvollständig, da vorher nicht klar gesagt wurde, was gebraucht würde, um sich
anzumelden. Aus dem Grund mussten viele der Eltern immer wieder Dinge
nachreichen und aufs Neue eine regelrechte Reise antreten. Fehlende
Kommunikationsmöglichkeiten und klare Absprachen waren ebenfalls ein Problem.
Zunächst wurde auf einer Elternversammlung kommuniziert, dass das Hogar am 8.
Februar eröffnet werde sollte. Nachdem der Großteil der Eltern bereits gegangen
war, fiel uns auf, dass der besagte Montag allerdings ein Feiertag aufgrund
Karneval war. Daraufhin wurde die Eröffnung der Kinderheime auf den 15. Februar
verlegt, obwohl die Schule bereits Anfang Februar begonnen hatte. Somit konnten
viele Kinder die ersten Wochen nicht am Unterricht teilnehmen und wir hatten
alle Hände voll zu tun, die Information der verspäteten Eröffnung den Familien
nahe zu bringen, da viele Eltern kein Telefon bzw, Handy besitzen.
2)
Die bereits erwähnte Hierarchie der Stiftung. Dieses
Jahr wurden aus der Chefetage neue Regeln auferlegt: zunächst sollten in beide
Heime nur Kinder unter 12 Jahren akzeptiert werden, da diese sich besser an die
Regeln der Kinderheime anpassten. Im letzten Jahr hatte es im Jungenheim Mallorca
schwierige Vorfälle mit älteren Jugendlichen gegeben. Sie waren „schwer
erziehbar“ und wurden deshalb vor die Tür gesetzt. Die Freiwillige des Heims
Mallorca (Danie) und ich waren schockiert, dass man Menschen einfach so
aufgeben wollte. Aus reiner Überforderung entschied man sich dafür die Jungs
rauszuschmeißen, obwohl man sie jahrelang täglich ver- und umsorgt hatte.
Jugendlichen aus armen Verhältnissen eine Perspektive geben, das ist die Vision
der Fundación Amazonia. Häufig scheint diese Vision aber nur halbherzig bedacht
und nie verwirklicht zu werden. Den Kindern fehlt es an Erziehung, Bildung und
Empowerment-Möglichkeiten für ihre Zukunft. Die Erzieher sind überarbeitet und
überfordert. Aus dem Grund hat sich für das Dutzend Jugendlicher, die Ende
vergangenen Jahres aus dem Hogar Mallorca geworfen worden sind auch nichts mehr
geändert: Bereits im Dezember hatte ich eine Psychologengruppe aufgesucht, die
workshops zu Integration, Berufsorientierung und Sensibilisierung zu
verschiedenen Bereichen des Lebens geben. Die für die Jungs zuständige
Erzieherin hatte mir damals begeistert ihre Unterstützung versprochen aber hat
am Ende nichts getan, damit das bereits in die Wege geleitete Ausgangsprogramm
für die Jungs zu Stande käme.
Ich sehe sehr viel Potenzial in der
angeleiteten Erziehung der Jugendlichen in Kinderheimen für eine bessere
Zukunft. Was schwierig für mich ist, ist zu akzeptieren, dass mein Traum der
nachhaltigen (Aus-)Bildung und das Ermöglichen von Perspektiven für diese
Kinder noch nicht bei meiner jetzigen Arbeitsstelle umgesetzt werden.
Nun ein paar Bilder aus dem „süßen Haus“:
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Der schließbare Mülleimer für die Küche! Endlich keine Ameisen mehr. |
Karneval in Tarija
Neben der ganzen Arbeit, möchte ich einen kleinen Einblick
in mein Privatleben geben. Für mich ist es noch immer eine Herausforderung mir
genügend Freizeit zu nehmen bzw. in meiner Freizeit nicht in Gedanken bei
Möglichkeiten der Verbesserung der Lebensqualität der Mädels im Misk’y zu sein.
Dieses Jahr ist nicht nur ein entwicklungspolitischer Freiwilligendienst,
sondern auch ein Jahr persönlicher Entwicklung. Die sozialen Kontakte, die ich
habe aufbauen können, helfen mir aber sehr gut, das Erleben der wunderbar
vielfältigen Kultur Boliviens nicht zu vergessen.
Gemeinsam mit meinem Freund Gustavo reiste ich in seine
Heimatstadt Tarija, im Süden Boliviens. Die Reise war abenteuerlich, da es über
Karneval einen Streik/ Stillstand der Transporteure gab. Nichts desto trotz
wollten wir unbedingt reisen, da wir bereits Tickets für Partys dort hatten. Es
war beeindruckend die Ausmaße des Streiks zu sehen. Die Reisebusse standen quer auf den Straßen
und versperrten den Ein-/Ausgang zur Stadt. Um diesen Blockierungen zu entkommen,
mussten wir einige Kilometer zu Fuß laufen. In den Abschnitten zwischen den
Blockierungen, gab es Transportmittel, die uns zur nächsten Blockierung fuhren.
Die ganzen Prozesse erschienen mir sehr kreativ: Anstatt die versperrte Straße
zu nutzen, fuhren die Autos im trockenen Flußbett und Straßenverkäufer machten
das Geschäft ihres Lebens, indem sie allerlei notwendige Dinge auf den
genutzten Wegen anboten. Alles lief nach dem Motto: Nichts ist unmöglich.
Angekommen in Tarija:
Tarija ist die Stadt, die mit allen existierenden negativen
Stereotypen des Lebens in Bolivien aufräumt. Hier herrscht verhältnismäßig
wenig Armut, es wird viel investiert, gebaut und erneuert. Ich fühlte mich sofort
wohl, da Tarija eine ähnliche Größe wie meine Heimatstadt Hannover hat und
genauso flach und grün ist. Die Plazas, Straßen, Gassen und Autos sind modern
und elegant. Man sieht viele Radfahrer und Läufer[- ebenfalls Heimatgefühle! J] Die Landschaft um
Tarija herum ist atemberaubend schön! Weinberge, Wiesen, Flüsse, Berge…Alles
scheinbar unberührt, regelrecht magisch.
Bolivien ist regional stark unterschiedlich geprägt. In
Tarija ist somit (nach Auffassung von stolzen Bolivianern und nach meinen Erkenntnissen
:p) Kultur, Mentalität und Lebensgefühl ein anderes, als in anderen Regionen
oder Städten Boliviens. Mir gefällt die Stadt aufgrund ihrer Landschaft, des
Sports, der Sommeratmosphäre inklusive Grillen und Gitarrenklänge und natürlich
wegen der Leute, die ich kennenlernen durfte.
Karneval in Tarija war eine perfekt Verbindung von Abenteuer,
Erholung, Party und Kultur. Am Rosenmontag war ich auf einer Party in einem
Hotel. Noch nie habe ich so gut gefeiert und im Pool mit High Heels und
Kleidung getanzt. Die Leute waren in Feierlaune und tanzten zu Dance-Musik. Das
war ein wirklich wahnsinnig gutes Erlebnis- Tomorrowland Bolivia sozusagen.
An anderen Tagen gab verschiedene Tanzumzüge (Corsos) mit beeindruckenden
Performances. Ich merkte, dass ich es vermisse Chacarera, Cueca und Gato zu
tanzen, die einzigen drei Tänze, die ich bis jetzt von all‘ den vielen
bolivianischen Folklore-Tänzen gelernt habe. So gerne würde ich mehr Zeit in
diesem faszinierenden Land verbringen, um neben all der Arbeit mehr Freizeit zu
haben, um die Folklore- Tänze lernen zu können. Ein Jahr in Bolivien reicht nicht annähernd, um das Land richtig kennenzulernen. Ein Teil von mir wird immer zurückkommen wollen, zurück zu den Menschen, meinen Kindern, meiner Familie& Freunden als auch den Landschaften.
Abschließend nun auch noch ein paar Fotos aus meinem Kurzurlaub in Tarija...
Warme Sonnengrüße sendet,
Eure Matthia
Der erste Blick auf Tarija... |
Kostümparty:Verkleidung innerhalb von 10 Minuten. Es war eine spontane und superwitzige Aktion, bei der mein Kleiderschrank und meine Schminke als Kostümmaterial herhielten. |
Erst überrascht, als ich zum Tanzen beim Karnevalsumzug aufgefordert wurde...dann völlig besgeistert. :P |
Ein regelrecht magischer Ort, davon soll es Unmengen in Tarijas Umgebung geben. Ich hoffe, dieses Jahr noch häufig dort hinreisen zu können, um weitere Orte in der Natur dort zu erkunden. |
Umengen an Weintrauben... |